Erinnerungen von Lore Kirchdörfer
geb. Dauner
Kocherstetten, Schulzeit von 1944 bis 1951
Bin am 2. September 1937 in Backnang geboren und ging dort noch in den Kindergarten. Dann kam der Krieg, auch mein Vater musste fort. Wir, meine Mutter, meine Schwester Rose und ich, zogen zur Mutter = Oma nach Kocherstetten.
Erinnern kann ich mich an den ersten Schultag. Es war der 1. September 1944, denn am 2. September hatte ich meinen 7. Geburtstag, mitten im Krieg, mehr Traurigkeit als Fröhlichkeit.
In jeder Familie fehlten liebe Menschen, auch bei uns.
Zunächst hatte ich für die Schulsachen eine Tasche, von Mutter aus Sackstoff genäht, später einen Schulranzen, der war aus Pappdeckel und eine Federbüchse mit einem Hasenborle (Hasenschwänzle), damit die Griffel und Bleistiftspitzen nicht so schnell abgebrochen sind.
Der Schulweg war kurz – so oder so – ein halbes Jahr später am 12. April 1945 war der Beschuss von Kocherstetten. Es gab Tote, Verletzte, Häuser brannten ab, auch unseres, es war schlimm.
Wir alle hatten kein Bett, kein Zuhause mehr. Alle Betroffenen versammelten sich im Schulhaus, und die damalige Lehrerfamilie Pfeifer und Nachbarn versorgten uns mit Tee und Decken, es ging ja in die Nacht. Danach waren wir einige Wochen in der Schule untergebracht, in einem Zimmer unterm Dach, später im damaligen Rathaus und schließlich in einer Baracke am Erlesbach.
Wann es hier in Kocherstetten mit der Schule wieder weiterging, weiß ich nicht. Als mein Vater aus der Kriegsgefangenschaft (Alabama) kam, sind wir nach Satteldorf (Crailsheim) gezogen, berufswegen, deshalb habe ich die Zeit von Frau Fleisch und Frau Gerstner hier nicht erlebt. Dann wieder Umzug nach Kocherstetten, 1949-1950, und es wurde das elterliche Haus, wie einst Gasthaus zum Ochsen, wieder aufgebaut.
Unsere Lehrer waren Herr Haas, Herr Burgbacher, Herr Braun und Fräulein Kirchdörfer. Bei ihr hatten wir Handarbeit. Da gab es noch kein gleiches ‚Tun‘, jeder brachte etwas mit, Wolle zum Strümpfe stricken, ein Stöffle, oder was man eben hatte.
Sportunterricht war unten am alten Kocher: Völkerball, Staffellauf, Faulei. Schön war’s, wenn der Ball in den Kocher fiel,der ja irgendwie wieder herausgestochert werden musste.
Damals waren noch die meisten Kinder in der Grund- und Hauptschule, nicht wie heute in höheren oder weiterbildenden Schulen, so waren Kluge und normale Könner da. Im Fach Rechnen/Mathe war Wettrechnen sehr beliebt, denn es wollten mehrere an die Spitze.
Spielzeug hatten wir alle nicht viel. Es war sicher in den Ferien, da hat uns Herr Bader auf sein Fuhrwerk gehockt und wir holten Gras, dabei wurde gesungen. Wir Kinder lernten ohne Noten, spielerisch das Lied EVG.675 Das walte Gott der helfen kann. Bis heute habe ich es nicht vergessen.
Ein besonderes Ereignis war natürlich die Hochzeit von Königin Elisabeth in England – und später die Mondlandung. Noch war Fernsehen ganz NEU, man durfte in der Stube bei Bäcker Haas schauen.
Mein Vater wurde 1950 zum Bürgermeister gewählt und war 25 Jahre in diesem Amt. Schule und Kindergarten lagen ihm sehr am Herzen. Heutiger Kindergarten war unser Grundstück. Danach wurde auch Kocherstetten eingemeindet, seitdem sind es Ortsvorsteher.
Geschrieben von Lore Kirchdörfer, im Juli 2020
Zu Ergänzung hat Lore Kirchdörfer die folgenden Fotos zur Verfügung gestellt.

Glockeneinweihung 1952 mit Hauptlehrer Burgbacher, Lehrer Braun und Pfarrer Fiebig

Meine Konfirmation 1951 in der Marienkirche mit Pfarrer Fiebig, Jahrgang 1937. Lore Kirchdörfer ist die 3.v.l.

Brückeneinweihung 1955 mit Oberst Freiherr von Stetten, Ministern, Landräten, Bürgermeistern, Verwaltungsaktuaren, und, und, …


Ein großes Ereignis hier war auch die Schwere Schwäbische Geländefahrt von 1954

Herr Haas auf der NSU Max 1954

Dieses Bild stammt vermutlich vom Kinderfest aus dem Jahre 1952.

Dieses besondere Wirtshauswappen von 1819 ist auch heute noch am ehemaligen Gasthof Ochsen zu bewundern. In einem der folgenden Berichte wird erzählt, dass manchmal auswärtige Schüler dort zum Mittagessen eine leckere Suppe verspeisten.