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Erinnerungen von Reinhold Leja, Jahrgang 1953

Schulzeit in Kocherstetten 1960 - 1966

Wie die meisten in dieser Zeit, in Kocherstetten Geborenen, wurde mir der Weg in diese Welt von der Hebamme, Frau Wieland bereitet. Das Haus, in dem ich auf die Welt kam und das Haus, in dem ich meine Kindheit verbrachte, stehen heute nicht mehr, dort wurden neue Häuser gebaut.


Meine Kindheit, bis zur Einschulung war auch ohne Fernseher, Telefon, Computer oder Smartphone, sehr abwechslungsreich und nie langweilig. Zum Spielen im Haus gab es Karten- oder Brettspiel, alles ohne elektrischen Anschluss.
 

Ich kann mich noch erinnern, dass 1957 eines Abends die Leute vom Ort auf der Straße standen, um den Flug des ersten russischen Sputniks zu beobachten, der am sternenklaren Himmel als bewegter heller Stern zu sehen war.

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  stehend: Eberhard Jag, Richard Munz, Wolfgang Baumann, Dietlinde Schulz, Udo Hollmann, Artur Schlopakowski,
                                                                                                                                                   Lehrer Eugen Ziegler

                                        kniend:  Ulrich Jag, Klaus Brenner, Karl-Heinz Münch, Reinhold Leja

1960 wurde ich mit 8 weiteren Jungs und einem Mädchen eingeschult. Von der 1. bis zur 4. Klasse hatten wir Herrn Ziegler, an den ich mich sehr gerne zurückerinnere, weil er ein guter und neutraler Lehrer war.

Herr Ziegler legte auch großen Wert darauf, dass der soziale Umgang unter den Schülern, nie außeracht gelassen wurde. Zudem hat er versucht, uns eine gute Allgemeinbildung mit auf den Weg zu geben. Ich erinnere mich noch oft an gewisse Sätze oder Regeln, die heute noch Gültigkeit haben. Um unseren Geist zu fördern, versprach er dem Schüler eine große Weltkarte, der einen Merksatz zur Großschreibung bis nach dem Wochenende mitbringt. Die Weltkarte habe ich bekommen mit dem Satz: Wörter mit der Endung -heit, -keit, -schaft, -tum, -ung, -nis,- chen und -lein, schreib niemals klein, präg dir das ein.

Von einigen Schülern wurde ich ausgegrenzt, da ich einer der wenigen Katholiken war, in einem Dorf von meist nur evangelischen Bewohnern. Kraftausdrücke wie katholische Brockenfresser oder katholische Arschlöcher waren da an der Tagesordnung, was mir aber irgendwann an einem Ohr rein und am anderen Ohr wieder rausging; schließlich hatten 90% der Bewohner einen normalen Umgang mit mir.

1963 gab es in Kocherstetten ein Heimatfest, mit 700-Jahr-Feier. Das ganze Dorf war für mehrere Tage in das Geschehen eingebunden. Bei sehr hochsommerlichen Temperaturen fand ein Festumzug statt, der am Sportplatz endete. Alle Kinder wurden mit Getränken und Eis belohnt.

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Ab der 5. Klasse hatten wir Herrn Braun, gottseidank, nur ein halbes Jahr. Herr Braun ließ immer durchblicken, wer für ihn besser und wer schlechter angesehen war, zudem war er auch immer gut informiert, wer wann ein Schwein schlachtete. Ein Bauer aus dem Dorf baute auf einem Acker Heilpflanzen (Fingerhut) an. Herr Braun beorderte alle Schüler zur Ernte aufs Feld. Für uns Schüler wurde es besser, als Herr Volk kam. Herr Volk war fremd im Dorf, er hat aber alle Schüler gleich behandelt, ob Landwirtschaft vorhanden war oder nicht.

Wir konnten uns früher in unserer Freizeit beschäftigen, ohne viele Hilfsmittel, es genügte eine Säge, ein Beil, Hammer und Nägel, um im Wald oder in größeren Hecken eine Behausung zu bauen, was manchmal den Wald- und Grundstücksbesitzern missfiel, nur wir hatten unseren Spaß daran und nie Langeweile.

Der Bach durchs Dorf und der Kocher war für uns auch immer interessant. Wie schafft man wohl, einen großen Fisch aus dem Wasser zu holen? Dazu brauchte es einen Haselnussstecken, 10m Wurstschnur und einen Angelhaken, den wir schon hatten.
Es fehlte nur ein Stück Angelschnur zum Haken. Da die Schwester eines Schulkameraden Geige spielte, hatten wir die Lösung. Die Geigensaite war für uns das Verbindungsstück zum Haken.
Es dauerte nicht lange, da hatten wir einen großen Fisch am Haken. Als wir den Fisch an Land zogen, wunderten wir uns, dass die Geigensaite so dick wie die Wurstschnur war, aber sie hielt.
Heute ist mir bekannt, dass die Geigensaite aus Darm war. Durch unsere lautstarke Freude wurde der Fischwasserbesitzer auf uns aufmerksam, der uns in die Flucht schlug, und den Fisch selbst mit nach Hause nahm.
Ein paar Jahre später hab ich mich beim Fischwasserbesitzer zu erkennen gegeben, dass ich einer der Angler damals war. Er war deswegen nicht böse, lobte mich und sagte, auf die Idee muss man erst kommen.

Im Frühjahr und im Herbst konnten wir uns als Schüler gutes Geld verdienen. Wir wurden von den Bauern, aus Kügelhof, Lassbach und Vogelsberg, mittags abgeholt, und am Abend, nach getaner Arbeit und einem ordentlichen Vesper, wieder nach Hause geführt. Am Anfang, bekamen wir 4 Mark am Nachmittag, was sich aber, dank einer wortgewandten Vertreterin (Brigitte Häfner) aus unseren Reihen änderte, wir bekamen 5 Mark + Vesper. Heute würde man Brigitte als Gewerkschaft bezeichnen, weil sie sich für die Belange aller eingesetzt und verhandelt hat.

Früher gab es noch Winter, mit richtig viel Schnee, so dass der Gemeinde-Lanz-Bulldog mit einem großen Holzschneepflug alle Straßen im Dorf räumte. Wir, ca. 10-15 Kinder und auch ältere, schoben abends einen Pferdeschlitten, die Landstraße in Richtung Vogelsberg. In der Dunkelheit, bei wenig Verkehr, ging die rasante Fahrt in Richtung Dorf. Zwei Jungs mit Schlittschuhen, lenkten an der Deichsel den Schlitten. Rechts vor links konnte man damals nicht beachten, dafür war die Lautstärke auf dem Schlitten, durch unser Geschrei, die Vorfahrtsberechtigung. Bremsen hatte dieses Gefährt nicht, deshalb war es eine Glücksache, ob die Wendung an der Schmiede klappte, oder über die Kocherbrücke, der Schlitten zum Bremsen einfach quergedreht wurde.
   

Ab der 7. Klasse gingen wir nach Künzelsau zur Schule. Eine neue Ära ist angebrochen, es gab einen Schulbus, der fuhr über Kügelhof, Mäusdorf, Vogelsberg, Kocherstetten und Morsbach nach Künzelsau. Früher, vor dieser Zeit, mussten die Schüler alle zu Fuß, bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit in Schule kommen. Es gab zwar schon das eine oder andere Auto, doch wer hatte schon Zeit Schulkinder zu führen, zudem hatten sie alle täglich Bewegung und wurden abgehärtet.

Schulzeit in Kocherstetten: 1960 – 1966 (1.-6. Klasse)

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